Interview mit der Cheftrainerin des RMSV Aach Katja Gaißer

Der Nachwuchs des RMSV „Edelweiss“ 1899 Aach waren in den letzten Wochen mit insgesamt 9 DM-Titeln (5 x Junioren/ 4 x Schüler) sowie 2 Vize-Meistern im Kunst- und Einradsport sowie dem Junioren-Europameistertitel im 4er Kunstrad sehr erfolgreich. Und der Verein wurde vom Bund Deutscher Radfahrer für das Jahr 2019 mit dem BDR-Gold-Pokal, als erfolgreichster Hallenradsportverein ausgezeichnet.

Wir sprachen mit der Cheftrainerin Katja Gaißer:

Frage: Gibt es da ein spezielles Erfolgsrezept für Sie und Ihr Trainerteam, dass Ihr Verein in den letzten Wochen so erfolgreich abgeschnitten hat?

Katja Gaißer: Da gibt es groß keines. Wir versuchen gemeinsam, mit Disziplin und Struktur, aber auch mit Freude und Spaß erfolgreich zu sein. Jeder einzelne muss manchmal zu Gunsten seines Teams zurückstecken.

Frage: Der Verein kam ja so wie es aussieht sehr gut durch die Corona-Krise?

Katja Gaißer: Das Wort Corona kann ich eigentlich nicht mehr hören, denn es waren sehr schwierige Vorbereitungen, die von Corona beeinflusst wurden.  Wir mussten viele nationale Hebel in Bewegung setzen, damit zumindest 3 Vierer Mannschaften seit Anfang März wieder trainieren durften. Eigentlich war schon klar, dass es keinerlei Meisterschaften im Schüler und Jugendbereich in diesem Jahr geben würde. Dann kamen Lockerungen und somit auch die Möglichkeit zum Training ab 1.Juni. Nur 2-3 Wochen später wurden zur Verwunderung aller neue Termine für die Deutschen Meisterschaften der Schüler und Jugend ausgegeben und auch für die Europameisterschaft. Diese lagen leider alle in den Sommerferien. Somit gab es viel zu organisieren bzw. abzufragen. Schnell war klar:

  • dass einige Sportlerinnen an diesen Terminen leider nicht da sein können,
  • dass einige Sportlerinnen keine Lust mehr am Training haben und auch nicht mehr an Wettkämpfe gehen möchten
  • dass es schwierig werden wird in dieser kurzen Zeit (seit Lockerung des Trainings bis zur Deutschen Meisterschaft blieben nur 10 Wochen und das nach über einem Jahr Pause) sichere Programme aufstellen zu können
  • mit einigen Sportlerinnen konnte abgesprochen werden, dass sie noch bis zu den Meisterschaften weiterfahren
  • wir benötigten noch Qualifikationswettkämpfe, die organisiert werden mussten, usw.
  • nichts destotrotz wurden wir auch vom Bund Deutscher Radfahrer  dazu angehalten, wenn möglich, zugunsten unseres Sports alle Disziplinen zu besetzen.
  • kurz, es gab sehr viele Unklarheiten, Hindernisse und Schwierigkeiten (auch im Training) zu überwinden.

Frage: Trotzdem konnte der Verein mit 11 Mannschaften bei der Nachwuchs-DM an den Start gehen. Wie kommt das?

Katja Gaißer: Die Besonderheit (auch Corona geschuldet) war in diesem Jahr, dass Sportlerinnen aus anderen Jahrgängen in einzelnen Mannschaften aushelfen konnten. Nur deshalb konnten wir alle 11 Mannschaften (die wir bereits auf das Jahr 2020 vorbereitet hatten) antreten lassen. Dies beginnt bei der Elite, die sich für die Jugend eingesetzt haben, aber eben auch bei der Jugend, die sich wiederrum bereit erklärt hatten bei den Schülerdisziplinen einzuspringen.  Das war auch eine große Chance vor allem für unseren jüngsten Sportlerinnen.

Frage: Führte das nicht zu Problemen. Der Altersunterschied war doch sicherlich groß?

Katja Gaißer: Alle kamen miteinander sehr gut aus, wir hatten ein gemeinsames Ziel. Der Fokus lag auf dem Sport und nicht auf der zwischenmenschlichen Ebene. Ich bin zwar mit einem mulmigen Gefühl an die DM gefahren, hatte mich auf Schwierigkeiten eingestellt, da nicht jedes Training für die SportlerInnen und Trainer leicht war. Ich wurde aber eines Besseren belehrt. Wir hatten alle gemeinsam Spaß und viel Freude.

Frage: Das ist als das Erfolgsgeheimnis?

Katja Gaißer: Jein. Bereits vor Corona waren unsere Mannschaften auf einem guten Weg. Alle Übungen, alle Programme, die schon vor einem Jahr gut eingeübt waren und gelaufen sind konnten eingesetzt und übernommen werden. Der Erfolg, den wir in diesem Jahr erzielen konnten war nicht der Lohn der letzten 10 Wochen, 80Prozent des Erfolgs ist auf die Aufbauarbeit vor Corona zurückzuführen und den Rest haben wir uns in den letzten 10 Wochen erarbeitet. Die Strategie lieber die Programme etwas zurückzustufen und auf Sicherheit zu gehen wurden belohnt – auch wenn die SportlerIinnen dies im Juni/Juli noch nicht ganz wahrhaben wollten und etwas an den Entscheidungen der Trainer gezweifelt hatten.

Frage: Und wie sind die anderen Kunstradvereine in Deutschland durch die Krise gekommen?

Katja Gaißer: Insgesamt waren es weniger Mannschaften, als sonst bei der DM am Start, was bedenklich ist. Das darf aber den Erfolg unserer Sportler in keinster Weise schmälern.

Frage: Bei der DM hat sich den der 4er Kunstrad für die Junioren-Europameisterschaft qualifiziert. Wie war das?

Katja Gaißer: Nach der DM und der erfahrenen Qualifikation an diesem Wettkampf ging es sehr schnell. Noch am Samstagabend – keine 5 Minuten – nach erfolgreicher Qualifikation wurden wir eingekleidet. Die klare Zielgebung bzw. der Druck des Bundestrainers Dr. Marcus Klein wurden bekannt gegeben – Eure Aufgabe ist den EM-Titel zu erringen – nach Deutschland zurückzuholen, aber auch die ganzen Schwierigkeiten bezüglich Corona-Verordnungen, Coronatests in Deutschland und in der Schweiz und noch viele Details mehr wurden deutlich.  Das Training wurde in den verbleibenden eineinhalb Wochen intensiviert und ich konnte am Donnerstagnachmittag 4 bleiche und nervöse Mädels (so kannte man sie eigentlich nicht) mit in die Schweiz nehmen. Auch das Zusammentreffen mit der Nationalmannschaft und die erste Nacht in der Schweiz trugen nicht sichtbar zum Abbau der Nervosität bei. Nach dem ersten Bodentest und einem kurzen Training konnte man dann eine kleine Erleichterung erkennen. Als dann am Freitag spätnachmittag endlich die Eröffnungsfeier begann sollte es ernst werden. Während dieser ganzen Zeit und vor unserem Start waren die 4 Mädels sehr konzentriert und bereit alle Anregungen aufzunehmen und umzusetzen. Sehr nervös waren sie vor ihrem ersten Start an einer Europameisterschaft. Aber sie haben es „fast“ mit Bravour gemeistert.

Frage: Und waren Sie als Trainerin zufrieden?

Katja Gaißer: Unsere Devise haben wir nicht geschafft. Das Ziel ist es immer ohne Sturz, also ohne Absteiger durch das Programm zu kommen. Das ist uns nicht gelungen. Aber nichts desto Trotz haben die 4 sich ihre Gold-Medaille und das EM-Trikot absolut mehr als verdient. Wenn man sich dazu entscheidet fast 2 Wochen alleine daheim zu bleiben um ins Training zu gehen und der Rest der Familie in den Urlaub fahren zu lassen, wenn es einem sterbensschlecht ist und man die Qualifikationswettkämpfe trotzdem noch fehlerfrei durchfährt, wenn man sich ständig mit der Chefin und der Trainerin wegen dem Schichtplan und den Trainingszeiten arrangieren muss und wenn man sich nach einer Corona Infektion wieder langsam ins Sportleben zurückkämpfen muss und wenn das jede Einzelne tut und ihre eigenen Belange zu Gunsten der Mannschaft zurücksteckt. Nur dann ist so eine Teamleistung möglich.

Frage: Und jetzt ist erstmal Urlaub angesagt?

Katja Gaißer: Schön wär´s. Unseren Elitemannschaften steht der Saisonhöhepunkt noch bevor, denn bereits am 18.September sind wir hoch im Norden bei Schwanewede (Bremen) Hier zeigt sich schon gleich wie wir im Vergleich zu den Anderen Stehen. Dies ist die erste und zweite WM-Qualifikation und auch die Qualifikation in allen Kunstraddisziplinen für die Deutsche Meisterschaft. In der Altersklasse ab 18 Jahren ist die Konkurrenz um einiges größer als in der Jugend. Letztes Jahr waren wir gefühlt gut vorbereitet, da sind die Meisterschaften leider ausgefallen. Die letzten Wochen waren etwas Urlaubsfrei und auch der Jugend gewidmet. Da geht´s jetzt in die Vollen. Da ist an Urlaub nicht zu denken. Die letzten DM-Medaillen für eine Elitemannschaft des RMSV Aach gab es im Jahre 2016 und die letzte Goldmedaille 2009. Das wollen wir gerne ändern. Das ist unser Ziel – es wird sicher schwer werden – aber wer Nicht wagt, der nicht gewinnt. Wir werden nach unserem „bekannten“ Motto vorgehen. Wenn wir ohne Absteiger und große Prozentabzüge alle Übungen innerhalb der vorgeschriebenen 5 Minuten absolvieren können – dann sind wir zufrieden, egal welche Platzierung am Ende rausspringt!!

Frage: Kann in Aach jeder der diesen Sport betreibt garantiert Deutscher Meister werden?

Katja Gaißer: An alle Kritiker, die oft  meinen, dass immer alles so einfach ist, man muss bisl Begabung und Durchhaltevermögen haben und die Trainer des RMSV machen dann schon einen Europameister daraus und Deutsche Meister sind ja eh selbstverständlich. Aber man sieht auch, dass es eben nicht so ist. Unsere Medaillen sind kein Selbstläufer, andere Vereine in Deutschland schlafen auch nicht und haben nicht annähernd unseren Erfolg!

Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.

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